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Wie viel Religion ist an der Grundschule erlaubt?

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Wie viel Religion ist an der Grundschule erlaubt?

Öffentliche Grundschulen und ihre Lehrpersonen müssen konfessionell neutral auftreten. Ihre Schützlinge vor jeglicher Religion abschirmen, müssen sie deswegen nicht.
17.08.2025, 10:0017.08.2025, 10:00
Vera Beutler / lex4you by TCS
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Die Grundschule ist ein Paradebeispiel für den Föderalismus: Jeder Kanton hat seine eigenen Regeln, muss sich aber gleichwohl an die Bundesverfassung halten. Diese verankert zunächst die Glaubens- und Gewissensfreiheit, welche den religiösen Frieden sichern, jeder Person die Freiheit zu glauben oder nicht zu glauben gewähren und die Ausgrenzung von religiösen Minderheiten verhindern soll. Zudem garantiert die Bundesverfassung den ausreichenden und unentgeltlichen Grundschulunterricht. Mindestens die öffentlichen Schulen müssen deswegen von Verfassung wegen einen konfessionell neutralen Unterricht anbieten. Der neutrale Teufel liegt aber im Detail.

«Wegen Yogaübungen im Kindergarten laufen die Schüler eher nicht zum Hinduismus über.»

Grundschulunterricht muss konfessionell neutral sein

Der Kanton darf die Schule in vielen Bereichen selbst gestalten. Die Grundschule muss jedoch «die Schulpflichtigen auf ein eigenverantwortliches Leben im modernen Alltag vorbereiten», wie das Bundesgericht festhält. Sie soll es den Kindern beispielsweise ermöglichen, sich geistig frei zu entwickeln. Einer öffentlichen Grundschule ist es deswegen verboten, eine Religion beziehungsweise bestimmte Religionsangehörige zu bevorzugen oder zu benachteiligen.

Contentpartnerschaft mit TCS / lex4you.ch
Dieser Blog ist eine Contentpartnerschaft mit TCS Rechtsschutz und seiner interaktiven Rechtsauskunftsplattform lex4you.ch. Die Fragen stammen direkt aus dem Alltag von Rechtsschutzversicherten – kompetent beantwortet von der Juristin und Leiterin von lex4you.ch, Vera Beutler. Es handelt sich nicht um bezahlten Inhalt.

Obligatorischer Religionsunterricht ist damit nicht zulässig. Fächer wie Natur, Mensch, Gesellschaft (NMG) oder Ethik, Religion und Gesellschaft (ERG) dürfen obligatorisch sein, sind aber konfessionell neutral zu erteilen. Das Bundesgericht hat zudem sowohl das Kreuz aus dem Klassenzimmer verbannt wie auch eine kantonale Vorschrift gestützt, welche Lehrpersonen das Tragen von Kopftüchern verbietet.

Schule muss Kinder nicht vor Religionen abschirmen

Die konfessionelle Neutralität steht aber nicht über allem: «Das Neutralitätsgebot gilt nicht absolut. Es hat nicht den Sinn, das religiöse oder weltanschauliche Moment aus der Staatstätigkeit völlig auszuschliessen», wie das Bundesgericht in seinem Urteil über die katholische Mädchen-Sekundarschule St. Katharina schreibt. Die Schule muss die Kinder nicht vor allem Religiösen abschirmen, weder vor Weihnachtsliedern noch vor Yoga-Übungen. Beides Fälle, über die das Bundesgericht zu entscheiden hatte, bei Letzterem stellte das höchste Gericht etwas gestelzt fest: «Derartige Übungen stellen im schulischen Kontext keine Glaubensäusserungen von einer hinreichenden Intensität dar, um die Kinder diesbezüglich zu beeinflussen». Will heissen: Wegen Yogaübungen im Kindergarten laufen die Schüler eher nicht zum Hinduismus über.

In aller Regel beeinflussen auch Schüler ihre Mitschüler nicht nachhaltig in deren religiösen Überzeugungen, weswegen ein Kopftuchverbot für Schülerinnen im Normalfall nicht zulässig ist: Es sei, so das Bundesgericht, «Mitschülern zuzumuten, das Tragen von religiösen Symbolen durch die Mitschülerin hinzunehmen».

Privatschulen dürfen religiös ausgerichtet sein

Eines vorweg: Privatschule ist nicht gleich Privatschule. Wenn eine Privatschule eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, gilt sie als öffentliche Schule. So ist eine privat geführte, aber hauptsächlich von der öffentlichen Hand finanzierte Schule an die Grundrechte gebunden und muss wie eine reguläre öffentliche Schule konfessionell neutral sein.

Auch eine eigentliche Privatschule untersteht jedoch der Aufsicht der Kantone. Sie muss ihr Grundschulangebot verfassungskonform ausgestalten und namentlich einen ausreichenden Unterricht anbieten. Es obliegt den aufsichtspflichtigen Kantonen, dies zu gewährleisten. Beabsichtigt beispielsweise ein Verein, einen privaten Kindergarten zu führen und dabei 25% des Stellenetats für den Arabisch- und Koranunterricht einzusetzen sowie religiöse Themen stetig in den Unterricht einfliessen zu lassen, darf beziehungsweise muss der Kanton die Bewilligung verweigern. Eine «zu starke Gewichtung religiöser Schwerpunkte» kann, wie das Bundesgericht schreibt, einem ausreichenden Grundschulunterricht nämlich entgegenstehen.

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137 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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fant
17.08.2025 11:23registriert Oktober 2015
Es müsste doch ganz einfach zwischen WISSEN und GLAUBEN unterschieden werden.

Beisiel WISSEN: Radioaktivität in genügend hoher Dosis tötet Menschen. Dafür ist Marie Curie gestorben.

Beispiel GLAUBE: Wir feiern Ostern, weil die Christen glauben, dass dies die Jahrestage der Kreuzigung und Wiederauferstehung Jesu sind.

WISSEN sind Facts.

GLAUBE ist eine unbewiesene Vermutung, Meinung, vielleicht auch Hoffnung.

Wäre auch ein gutes Thema für die Medienkompetenz wo die Kinder ebenso lernen sollten, FAKTEN von MEINUNGEN zu unterscheiden...
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moderat
17.08.2025 11:30registriert Juni 2022
Eine sachliche Übersicht der verschiedenen Religionen gehört zur Grundbildung. Nur so können wir andere Kulturen besser verstehen.
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you-had-one-job
17.08.2025 11:07registriert August 2024
Nicht zu vergessen sind die unsäglichen Einschulungstüten, die man seit neustem den Eltern in vorbelasteten Drogerieketten andrehen will.

Aber ja, weder Kreuze noch Kopftücher haben etwas im Schulzimmer verloren. Und am Sport- und Schwimmunterricht haben ALLE Schulkinder teilzunehmen.

Brauchtum und Religion haben ihren Platz ausserhalb der Klassenzimmer.
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