Wie viel Religion ist an der Grundschule erlaubt?
Die Grundschule ist ein Paradebeispiel für den Föderalismus: Jeder Kanton hat seine eigenen Regeln, muss sich aber gleichwohl an die Bundesverfassung halten. Diese verankert zunächst die Glaubens- und Gewissensfreiheit, welche den religiösen Frieden sichern, jeder Person die Freiheit zu glauben oder nicht zu glauben gewähren und die Ausgrenzung von religiösen Minderheiten verhindern soll. Zudem garantiert die Bundesverfassung den ausreichenden und unentgeltlichen Grundschulunterricht. Mindestens die öffentlichen Schulen müssen deswegen von Verfassung wegen einen konfessionell neutralen Unterricht anbieten. Der neutrale Teufel liegt aber im Detail.
Grundschulunterricht muss konfessionell neutral sein
Der Kanton darf die Schule in vielen Bereichen selbst gestalten. Die Grundschule muss jedoch «die Schulpflichtigen auf ein eigenverantwortliches Leben im modernen Alltag vorbereiten», wie das Bundesgericht festhält. Sie soll es den Kindern beispielsweise ermöglichen, sich geistig frei zu entwickeln. Einer öffentlichen Grundschule ist es deswegen verboten, eine Religion beziehungsweise bestimmte Religionsangehörige zu bevorzugen oder zu benachteiligen.
Obligatorischer Religionsunterricht ist damit nicht zulässig. Fächer wie Natur, Mensch, Gesellschaft (NMG) oder Ethik, Religion und Gesellschaft (ERG) dürfen obligatorisch sein, sind aber konfessionell neutral zu erteilen. Das Bundesgericht hat zudem sowohl das Kreuz aus dem Klassenzimmer verbannt wie auch eine kantonale Vorschrift gestützt, welche Lehrpersonen das Tragen von Kopftüchern verbietet.
Schule muss Kinder nicht vor Religionen abschirmen
Die konfessionelle Neutralität steht aber nicht über allem: «Das Neutralitätsgebot gilt nicht absolut. Es hat nicht den Sinn, das religiöse oder weltanschauliche Moment aus der Staatstätigkeit völlig auszuschliessen», wie das Bundesgericht in seinem Urteil über die katholische Mädchen-Sekundarschule St. Katharina schreibt. Die Schule muss die Kinder nicht vor allem Religiösen abschirmen, weder vor Weihnachtsliedern noch vor Yoga-Übungen. Beides Fälle, über die das Bundesgericht zu entscheiden hatte, bei Letzterem stellte das höchste Gericht etwas gestelzt fest: «Derartige Übungen stellen im schulischen Kontext keine Glaubensäusserungen von einer hinreichenden Intensität dar, um die Kinder diesbezüglich zu beeinflussen». Will heissen: Wegen Yogaübungen im Kindergarten laufen die Schüler eher nicht zum Hinduismus über.
In aller Regel beeinflussen auch Schüler ihre Mitschüler nicht nachhaltig in deren religiösen Überzeugungen, weswegen ein Kopftuchverbot für Schülerinnen im Normalfall nicht zulässig ist: Es sei, so das Bundesgericht, «Mitschülern zuzumuten, das Tragen von religiösen Symbolen durch die Mitschülerin hinzunehmen».
Privatschulen dürfen religiös ausgerichtet sein
Eines vorweg: Privatschule ist nicht gleich Privatschule. Wenn eine Privatschule eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, gilt sie als öffentliche Schule. So ist eine privat geführte, aber hauptsächlich von der öffentlichen Hand finanzierte Schule an die Grundrechte gebunden und muss wie eine reguläre öffentliche Schule konfessionell neutral sein.
Auch eine eigentliche Privatschule untersteht jedoch der Aufsicht der Kantone. Sie muss ihr Grundschulangebot verfassungskonform ausgestalten und namentlich einen ausreichenden Unterricht anbieten. Es obliegt den aufsichtspflichtigen Kantonen, dies zu gewährleisten. Beabsichtigt beispielsweise ein Verein, einen privaten Kindergarten zu führen und dabei 25% des Stellenetats für den Arabisch- und Koranunterricht einzusetzen sowie religiöse Themen stetig in den Unterricht einfliessen zu lassen, darf beziehungsweise muss der Kanton die Bewilligung verweigern. Eine «zu starke Gewichtung religiöser Schwerpunkte» kann, wie das Bundesgericht schreibt, einem ausreichenden Grundschulunterricht nämlich entgegenstehen.


